Ignatius, liebe Freunde in St. Michael, hätte es sicher nicht gerne,
dass
man über ihn predigt: Ihm ging es immer "um seinen Herrn", wie er
sagte,
um die Gestalt und das Leben Jesu. Ihn, nicht sich selbst und seinen
Orden,
wollte er den Menschen bekannt machen –als das Modell eines Weges zu
innerer
Freiheit und zu einem geglückten menschlichen Leben.
Genau deshalb lohnt sich aber der Blick auf Ignatius selbst. Denn genau
zu
solch einem Menschen ist er geworden. Erstaunlich, denn durch die
Geschichte
klebt ihm und seinem Orden eher ein anderes Image an: Ignatius, ein
Mann
der Disziplin und des Willens, der Ritter und Militär, zielorientiert,
ein
Stück verbissen in seinen Plänen, und noch dazu eher nüchtern
distanziert.
Wie nun kann sich ein Mensch so verändern? Ist das auch uns möglich,
die
wir doch selbst allen möglichen inneren Zwängen ausgeliefert sind und
manchmal
so überhaupt nicht aus unserer Haut zu können.
Mich fasziniert es: dass genau dieser Ignatius im Laufe seines Lebens
zu
einem Mann innerer Gelassenheit und Freude wurde – und zwar nicht nur
in
der Theorie. Seine Ausstrahlung hat die Leute in den Bann gezogen. Der
kleine
Spanier, „der ein wenig hinkt und so fröhliche Augen hat", so kannten
ihn
die Römer und so gewann er die Herzen der Menschen und ihr Vertrauen.
Mitbrüder aus der römischen Zeit berichten: „Und wenn er jemanden zu
Besuch
empfing, zeigte er ihm eine so heitere Freude, als wollte er ihn in die
Mitte
seiner Seele nehmen". So etwas lässt sich nicht spielen, das muss von
innen
heraus gewachsen sein. Sonst wäre auch nicht jene berühmte Aussage zu
verstehen,
die P. da Camara glaubwürdig in seinen Erinnerungen an Ignatius
festhält:
„Als einmal der Arzt sagte, er dürfe keine Melancholie bekommen, sie
würde
ihm schaden, sagte der Vater: ‚Ich habe nachgedacht, bei was mir
Melancholie
käme, und ich habe nichts gefunden, außer wenn der Papst die
Gesellschaft
(Jesu) gänzlich zunichte machte. Und auch damit, meine ich selbst,
würde
ich, wenn ich mich eine Viertelstunde im Gebet zurückzöge, so fröhlich
wie
zuvor oder noch fröhlicher sein.’"
Das muss jemand erst mal nachmachen! Sicher ist: Nur aus der Tiefe
solch
vertrauensvollen Betens lassen sich jene Freiheit und Leichtigkeit, der
Humor
und die Gelassenheit verstehen , angesichts all der Dinge, die einem
Druck
machen.
Ob das nicht ein Thema auch unserer Tage ist, ein Thema für uns selbst?
Wie
reagieren wir, wenn Dinge nicht so laufen wie erhofft und geplant – wer
hat
darunter zu leiden, wenn es uns nicht gut geht – wie verarbeiten wir,
innerlich
und im Miteinander, die Katastrophen und Zerrissenheiten unserer Welt –
wo
gehen wir hin mit unseren Ängsten, die uns sehr wohl immer wieder und
unerwartet
überfallen können?
Ignatius hat übrigens auch nicht in einfachen Zeiten gelebt. Die Nöte
und
Bedrängnisse für die Menschen damals standen den unseren wahrhaftig
nicht
nach. Und Ignatius war mitten drin. Er hat sich den Verhältnissen und
Missständen
entschieden gestellt und nach realistischen Lösungen gesucht. Darin war
er
ganz der zielbewusste Ritter. Aber dass er dies immer weniger verbissen
tun
musste, dass er dabei einen Humor entwickeln konnte, der nicht
verdrängt
und verharmlost, einen Humor aus innerer Gelassenheit, der nicht
zynische
Abwehr ist, sondern ein Zeichen der Hoffnung, einen Humor, der einen
Mensch
bleiben lässt, obwohl die Welt so ist, wie sie ist – darin steckt
vielleicht
die wichtigste Botschaft seines Lebens.
Wie aber, wie schon gefragt, kommt ein Mann seines Zuschnitts zu solch
einer
Ausstrahlung von Weite und Güte, von Geduld, Freundlichkeit und
herzlicher
Zugewandtheit, zu einem solch „hörenden Herzen", wie es in der heutigen
Lesung
beschrieben ist?
Das lässt sich nur erklären, wenn er etwas gefunden hat, was in seiner
Anziehungs-und
Lebenskraft alles andere in den Schatten stellt, den Schatz, von dem
das
Evangelium so lapidar und knapp redet. Für Ignatius war dieser Schatz
nicht
das Rezept „wie habe ich Erfolg". Es war die Erfahrung einer
Freundschaft,
auf die hin er sich völlig loslassen konnte: Du bist wichtig, ich stehe
zu
dir und ich will, dass du mit mir gehst – so formuliert Ignatius, was
er
in der Auseinandersetzung mit dem Leben Jesu als einen Ruf an sein
Leben
erfahren hat.
Er hatte den gefunden, dem er absolut vertrauen und dem er alles
überlassen
konnte. Das war die Quelle der inneren Freiheit und Fröhlichkeit, die
einfach
aus innerstem Herzen kam.
Es wäre nicht Ignatius, wenn das nicht sein ganz konkretes Handeln
geprägt
hätte. Er wusste: Ein Geschenk solcher Freundschaft bleibt nur
lebendig,
wenn es gepflegt wird. Es muss im Alltag seinen Ausdruck finden, es
muss
„eingeübt" werden.
Drei Dinge fallen bei Ignatius auf, die ihm geholfen haben, das
Vertrauen
in seinen Herrn als einer Quelle echter Fröhlichkeit lebendig zu halten.
Das erste: Lebe bewusst, verkoste und verspüre, was „der Seele Frieden
gibt"
– so Ignatius. Immer wieder fordert er dazu auf. Formuliere und
benenne,
was du als gut und dem Leben förderlich erlebst. Erinnere dich: Wo
konntest
du heute lachen, welche Begegnung hat dich froh gemacht, welche Aufgabe
ist
dir gelungen, wo hast du einen Fortschritt gesehen, was hat dir
Hoffnung
und Perspektive gegeben! - Wer bewusst so lebt, kann auch die Schatten
anschauen
und sich den Enttäuschungen stellen, ohne in Trübsinn zu verfallen.
Das zweite: Lass deinem Herzen auch einmal freien Lauf, besonders dann,
wenn
dich etwas freut und begeistert. In seinem sogenannten Pilgerbericht
erzählt
Ignatius, wie er einmal „jauchzend über die Felder rannte", als eine
bedrängende
Angst von ihm abgefallen war – oder Mitbrüder berichten, wie er „einen
trostlosen
Menschen mit einem fröhlichen baskischen Tanz aufheitern konnte", was
einer
gewissen Komik nicht entbehrte.
Ich vermute, wir alle könnten eher zulegen, wenn es darum geht, Freude
und
Frohmachendes zu teilen. Seien wir ehrlich, - oft wälzen wir doch nur
Probleme,
und meist noch die der anderen.
Das Dritte scheint mir in besonderer Weise bedenkenswert zu sein:
Ignatius
hat sorgfältig darauf geschaut, die Dinge nicht zu einlienig und zu eng
zu
sehen. Anders gesagt: Er hat seinem Gott zugetraut, dass der bei
Problemen
neben den eigenen noch andere Lösungswege kennt. Natürlich gibt es
Grundsätze,
die keine Kompromisse zulassen – aber meinen wir nicht in der Tat oft
zu
schnell, es gäbe nur eine einzige Lösung und man müsste es so und nicht
anders
machen? Als ob etwas, was nicht schmeckt, schon falsch sein muss.
Ignatius
hatte eine große Weite, die es ihm auch dann ermöglichte loszulassen,
wenn
etwas nicht so lief, wie er gedacht hatte.
Dieses Vertrauen in den größeren Überblick Gottes, so könnte man es
nennen,
hatte er übrigens mit seinem Zeitgenossen Philipp Neri gemeinsam, den
die
Leute den „fröhlichen Heiligen Roms" nannten. Beiden schätzten sich
sehr,
aber sie kannten sich auch in ihren Eigenarten und Schwächen. Philipp
hat
einmal gesagt: Wenn ich vor ganz großen Problemen stehe und nicht mehr
ein
noch aus weiß, dann überlege ich mir, was wohl Ignatius jetzt tun würde
–
und dann mache ich genau das Gegenteil.
Verschiedene Typen gehen offensichtlich auf das gleich Ziel hin
verschiedene
Wege Aber auch Ignatius selbst, der aus innerster Überzeugung nicht
wollte,
dass sein Mitbruder und späterer Nachfolger Franz Borja die
Kardinalswürde
annehme – „ich gehe lieber barhäuptig in die Sonne und den Regen, als
einen
Kardinalshut anzunehmen", hat er von sich gesagt – genau dieser
Ignatius
schreibt an Borja, er solle dennoch wach bleiben. Denn bei aller
Klarheit
der Argumente könne er nicht ausschließen, dass der Heilige Geist
schlussendlich
doch eine andere Entscheidung als die angemessenere erscheinen lasse.
Der Kardinalshut, für Ignatius eine wichtige Frage, aber bei aller
Leidenschaft
nicht die wichtigste. Wer so unterscheiden kann, der schafft Spielraum
–
sollten wir den nicht wahrnehmen? Wie oft könnten sich Menschen in
ihrer
Andersheit gelten lassen, ohne dass irgendjemandem ein Stein aus der
Krone
fallen würde. Und müsste nicht mancher Streit in unserer Welt, in der
Kirche
nicht ausgenommen, ein wenig mit Humor betrachtet, uns eigentlich zum
Lachen
bringen. Ernste Fragen bleiben genug.
Lasst das Gute zur Sprache kommen – gebt der Freude in euch eine
Chance,
sich zu zeigen – und glaubt nicht, dass eure Lösungen die einzig
möglichen
sind. Übungsschritte a la Ignatius. Übungsschritte im Vertrauen auf den
von
Jesus vorgezeichneten Weg. Übungsschritte, die uns verändern können,
hin
zu mehr Freiheit und zu einem Humor, in dem wir Gott unsere
Begrenztheit
und Endlichkeit anvertrauen, um uns dann gelassener den Problemen
widmen
zu können, die unseren Einsatz verlangen.
von dieser Seite an Ignatius wollte ich Ihnen heute einfach erzählen:
Mir
scheint nicht der strenge, willensbetonte Ignatius der wirklich
authentische,
sondern der „kleine Spanier, der ein wenig hinkt und so fröhliche Augen
hat"
–der attraktivere ist er sicher. Ich wünsche uns allen, dass wir
angesteckt
werden von seinem Vertrauen und seinem Humor-
Erlauben Sie mir noch eine Bitte in eigener Sache: Sollten Sie einem
Jesuiten
begegnen, der allzu verbissen schaut, sind Sie so gut und erinnern Sie
ihn
an Ignatius.
Bernd Franke SJ