Wir wünschen uns "Frohe Weihnachten!" Das steht auch auf den meisten
Weihnachtskarten, die man verschickt, und die werden auch verschickt
von Leuten, die sonst nicht mehr viel mit dem Christentum anzufangen
wissen. Aber mit diesem Wunsch "Frohe Weihnachten" stimmen sie in die
christliche Weihnachtsbotschaft ein; da heißt es ja: "Ich verkündige
euch eine große Freude, die allem Volk zuteil werden soll", und das
wurde von Anfang an als Kern der christlichen Aussage begriffen.
Euangelion, Evangelium - Frohe Botschaft -hat man es genannt.
Freude gehört in die Mitte des christlichen Glaubens, und der Wunsch
"Frohe Weihnachten", das hat für den Christen eine Aufforderung:
Kümmere dich darum, um diese Mitte des Glaubens, um die Freude. Nur, es
ist ein frommer Wunsch -fromm, weil er dieser Urbotschaft entspricht -
aber auch in dem etwas resignierendem Sinn ein frommer Wunsch, der doch
kaum in Erfüllung geht. Es ist oft so, dass man sich auf Weihnachten
freut, und dann an Weihnachten gelingt es nicht mehr ganz. Weihnachten
ist dann ein Fest von enttäuschter Hoffnung. Vielleicht liegt das
daran, dass man sich - wenn man das Glück hatte, eine solche Kindheit
zu haben - an die Kindertage erinnert, wo Kinder Weihnachten feiern und
man kann, gerade an Weihnachten, von Kindern lernen. Die können sich
nämlich ungebärdig freuen, weil sie nicht alte Kümmernisse
mitschleppen, Erinnerungen an Vergangenes, auch an Schuld oder
Schlechtes - das lassen sie hinter sich und leben für den Augenblick -
und sind auch nicht belastet von beengenden Sorgen, was übermorgen sein
wird. Das ist schon eine Haltung, die man von Kindern lernen sollte.
"Sorgt euch nicht wie die Heiden", sagt Jesus. Es gibt Wichtigeres, als
was man essen und trinken und anziehen soll.
Dann eine zweite Sache kindlicher Freude: Kinder sind unbescheiden,
nicht kleinlich. Sie möchten am liebsten alles, nicht nur dieses und
jenes. Wir sind, vom Leben zurechtgestutzt, bescheiden geworden;
versuchen vielleicht noch kleine Freuden einzuheimsen, aber so ganz auf
den Grund reichen sie nicht mehr - und man muss sich fragen, woher
rührt das? Man könnte sagen, jede Art von Freude stammt aus einer
Liebe, in weitem Sinn genommen (und wenn man nur ein gutes Essen liebt,
dann freut man sich darüber). Es fragt sich eben, wie tief die Liebe in
uns reicht. Die ist nämlich verantwortlich dafür, ob wir uns freuen
können!
Wir sollen uns freuen, Paulus sagt: "Freut euch allezeit" Und wir
möchten es ja auch. Wir sind ja deshalb vielleicht enttäuscht, weil uns
diese umfassende Freude nicht gelingt. Wir möchten uns freuen und haben
dann unsere Einwände und sagen, wir können es nicht. Liegt vielleicht
an Äußerlichkeiten. Wir würden uns schon etwas freuen, wenn Schnee an
Weihnachten wäre! Und wenn das Wetter dann trüb und matschig ist,
werden wir selbst etwas trübe. Wir sind da vielleicht zu viel von
Äußerlichkeiten abhängig, obwohl, ohne diesen Bezug auf das
Augenfällige wäre der Mensch auch verkümmert. Wir dürfen uns schon auch
über Lichter und Glanz und Weihnachtsduft freuen, nur, es sollte tiefer
reichen. Und dann haben wir unsere Einwände und sagen, wir können uns
nicht freuen: Mir geht es nicht gut, ich habe Sorgen; die Welt, die
Mitmenschen. Selbst, wenn ich über mich nicht klagen könnte - und wir
klagen sicher leicht -, dann kann man doch die Misere der Welt
anschauen. Und so haben wir unseren Einwand.
Wir möchten Gott sagen, wir würden uns ja gern freuen, aber schau diese
Misere an. Es ist ja ein christliches Wort gewesen, das "Jammertal". Es
ist wahr, und wir dürfen uns nicht über die Schatten und Dunkelheiten
der Welt hinweg lügen, schon deshalb nicht, weil man womöglich dagegen
angehen muss. Ich darf nicht wegsehen von Unrecht und Armut, ich muss
versuchen etwas dagegen zu tun. Und da dürfte keine Freude mich darüber
hinweg lügen. Nur, es ist die Frage, ob dieser Blick der einzig
richtige ist, ob es nicht auch einen anderen Blick auf die Welt gibt,
der klüger ist als unserer:
Der Blick Gottes, von dem heisst es, er hat die Welt geliebt. So sehr,
dass er seinen eingeborenen Sohn schickte, die Welt zu retten. Er 1iebt
diese Welt, also muss sie doch liebenswert sein! Er weiß es doch
besser. Er ist in diese Welt gekommen und Teil von ihr; Mensch
geworden. Er ist Licht in der Welt und hat alle dunklen Ecken dieser
Welt ausgeleuchtet. Er ist ja nicht in Königspalästen, in Reichtum
aufgetreten, er hat alle dunklen Seiten mitgemacht. Unverstanden,
leidend, beschimpft, verachtet. Und das war - so paradox es klingt -
sinn-voll. Er hat da hinein Sinn getragen, weil er in all dem der
Liebende gewesen ist. Und wenn wir Liebe in die Welt tragen - gerade
auch in die dunklen Zeiten, gerade auch, wenn wir selbst leiden und
Kummer haben - dann erst verleihen wir der Welt Sinn. Einen anderen hat
sie nicht. Alles Perfektionieren sonst ist zweitrangig (wenn wir uns um
Gesundheit kümmern, wenn wir uns um Wohlstand kümmern).
Wozu wollen wir gesund und im Wohlstand lebend sein?
Was ist der Sinn? Der Sinn ist bloß, wenn wir diese innerste,
menschliche Ausrichtung erfüllen - die uns allein auch wieder Basis von
Glück und Freude ist -, wenn wir versuchen, in all diesen Situationen
zu lieben. Und deshalb nimmt Gott unsere Ausreden nicht an, wenn wir
sagen, aber es gibt doch Armut und Verfolgung. Er sagt: "Selig die
Armen; selig, die Verfolgung leiden." Nicht, weil sie arm sind und
verfolgt, sondern: Wenn sie darin ihre Liebe durchhalten, dann erst
wird die Welt auch in diesen dunklen Seiten sinnvoll... Natürlich kann
ich nicht auf Kommando mich freuen und auf Kommando lieben. Es ist eine
Eigenart der christlichen Lebensaufforderung, dass man nicht Vollzug
berichten kann ( das ist befohlen, das hab' ich getan). So sind die
beiden - oder das eine Grundgebot des Christentums, du sollst lieben,
und damit verbunden du sollst dich freuen - so sind die nicht zu
erfüllen.
Das Christentum will nicht in erster Linie, dass wir etwas tun, sondern
- eine Stock tiefer - Dass wir etwas sind. Aus dem richtigen Sein und
Leben resultieren dann schon die Taten. Und dann kommen die Früchte, an
denen man das erkennen kann. Wenn wir richtig sind, liebend und uns
freuend, dann wächst das übrige im Leben fast von selbst. Das aber ist
nicht etwas, was ich auf den Moment leisten kann, da muss ich mich
hinein leben.
Wir müssen uns hinein leben in diese Liebe und Freude. Und Freude ist
ein Gebot, eben mit der Liebe verwandt. Ich kann nicht Menschen lieben,
wenn ich ihnen mürrisch und griesgrämig begegne. Den frohen Geber hat
Gott lieb, und jedermann auch. Der, der bloß seine Pflicht erfüllt, und
mag das noch so wichtig sein, der bleibt zurück. Leute wollen uns
freundlich, Grundstock der Nächstenliebe: Freude verbreiten.
Natürlich dann die Frage: Wie kann ich mich freuen? Wiederum
insistierend, bei all dem, wo ich doch selbst nicht nur vielleicht
bekümmert bin, sondern auch erbärmlich hinter meinen Möglichkeiten
zurück bleibend. Wie kann ich Basis der Freude finden?
Wenn ich glaube. Wenn ich diesen Satz des Evangeliums glaube: "Gott
hat" - nicht nur- "die Welt geliebt", er liebt mich und wenn ich
reagiere, wenn ich wieder liebe, dann gilt dieser Satz: "Denen, die
Gott lieben, gereicht all es zum Besten." Wenn ich das glauben könnte!
Alles, worüber ich mich ärgere, wo ich verzagt bin, was immer mir von
außen zustößt, alles gereicht mir zum Besten. Alles ist Zeichen und
Aufforderung des liebenden Gottes. Wenn ich das glauben könnte - und in
diesen Glauben hinein muss ich mich bewegen - dann wäre die Grundlage
der Freude in mir und dann könnte ich selbst -Abglanz des Lichtes Jesu
- ein wenig Licht in die Welt bringen. Und das ist unsere Aufgabe, die
Welt braucht unsere Freude. Schimpfen wir nicht über die Dunkelheit,
zünden wir diese Kerze der Freude überall an! Dann wird "Frohe
Weihnachten!" Amen.
Albert Keller SJ